Tagebuch

Auf eine Flasche Wein ...

... hat mich der Chefredakteur Röger des Stadtmagazins Zitty eingeladen und folgende Gedanken festgehalten:

Zur Person:

Pepe Danquart ist Regisseur und Produzent zahlreicher Dokumentar-, Kurz- und Spielfilme, Professor an der Hamburger Kunsthochschule, mehrfacher Deutscher und Bayerischer Filmpreis- und Oscar-Gewinner. Er lebt in Freiburg und Berlin, wenn er nicht gerade irgendwo in der Welt dreht und kocht gerne zuhause, oft zusammen mit namhaften Köchen wie Vincent Klink, mit dem er auch ein Kochbuch veröffentlichte. Am liebsten trinkt er zurzeit Riesling, Grüner Veltliner und einen leichten Badischen Spätburgunder, gerne im Fass ausgebaut.

Zum Wein:
Der „Fabelhaft“ Jahrgang 2007 aus dem Hause Niepoort stammt aus dem portugiesischen Douro-Tal, ist eine Cuvee aus den Traubensorten Tinta Roriz, Tinta Cao, Tinta Barroca und Touriga Franca. Als beliebter Einstiegswein ist in vielen Weinläden zu beziehen, sein Preis liegt bei ca. 9 Euro.

Zum ersten Mal habe ich Pepe Danquart im Restaurant Hartman gesehen. Ich sagte ihm, wie sehr mir sein Kurzfilm „Playboys“ im Vorprogramm des Berlinale-Wettbewerbs 1999 gefallen hat. Nachdem er hörte, dass ich Restaurantkritiken schreibe, sagte er mir, wie sehr ihn die üblichen Rezensionen langweilten: „Ich will wissen, wie sich der Kritiker fühlt, was er während des Essens erlebt, was er für ein Typ ist. Der Mensch ist doch interessanter als das Essen.“ Dann lächelte er das Pepe-Danquart-Lächeln: offen, mit direktem Blick in die Augen, nicht überheblich und unglaublich entwaffnend.

Das war vor gut einem Jahr. Heute sind draußen 11 Grad Minus. Danquart lässt ausrichten, dass sein Auto im Schnee feststecke und er später komme. Ich setze mich an den Kamin. Der Service öffnet schon mal meine mitgebrachte Flasche Wein: ein 2007er „Fabelhaft“. Stefan Hartmann kommt aus der Küche und kündigt an, dass er uns „ein paar Kleinigkeiten“ servieren wird, nach einem Blick auf die mitgebrachte Flasche mit einer Einschränkung: „die werden allerdings nicht zum Wein passen“. Allein probiere ich den ersten Schluck. Kein Kork! Und jetzt schon trinkbar mit weichen Tanninen, so dass man nicht gleich den Wunsch verspürt, sich den Pelz von der Zunge zu rasieren.

Als Danquart kommt, erkläre ich ihm die Idee für eine Weinkritik, die – frei nach LSD-Gourmet Timothy Leary – Set, Setting und Dosis berücksichtigen soll: „Wir trinken die Flasche leer und ich mach mir dabei Notizen.“ „Klingt gut“, sagt er, schaut kurz auf meinen Wein und bestellt uns beim Kellner erst einmal zwei Gläser Riesling. Wir sprechen über seine Arbeit. Gerade war er in China um jungen Filmemachern zu erklären, dass es noch andere Themen als „Held der Arbeit“ gibt. Davor in Sri Lanka, Urlaub, dann kurz in Freiburg, seinem zweiten Zuhause. Und dazwischen immer wieder Hamburg, wo auch Wim Wenders unterrichtet.

Die ersten „Kleinigkeiten“ werden aufgetischt, darunter eine unglaublich gute Kohlrabi-Suppe mit Hirschfilet, Trüffel und Gänsestopfleber. Danquart bestellt die zweiten Runde Riesling und dränge ich darauf, dass den „Fabelhaft“ nicht zu vergessen. Danquart probiert: „Mhhh, fruchtig, leicht bitter, etwas flach im Abgang, aber ganz bestimmt nicht schlecht. Eher ein Wein, den jeder erst mal mag.“ Es klingt wie ein Todesurteil.

Wir sprechen über die kommende Berlinale, bei der der Film „Shahada“, den seine Filmproduktionsfirma bittersuess picutures mit produzierte, im Wettbewerb läuft. Wir sprechen über seine Enttäuschung, dass sein Bergsteigerdrama „Am Limit“ vor zwei Jahren nicht eingeladen wurde. Und wir sprechen über seine schönste Erinnerung an das Filmfest, als bei der Aufführung von „Heimspiel“, eine Sportdoku über die Berliner Eisbären, im Kinosaal die Fangesänge lauthals mitgesungen wurden. Danquart nimmt einen tiefen Schluck „Fabelhaft“ und badet gedankenverloren noch einmal in den „Pepe, du bist der beste Mann“-Chören. Über die Oscar-Verleihung für seinen Kurzfilm „Schwarzfahrer“ verliert er kaum ein Wort. Er lächelt nur und ich weiß, welche Auszeichnung für ihn die wichtigere war.

Zum nächsten Gang bestellt Danquart wieder einen anderen Wein. Es sieht ganz so aus, als bliebe ich auf meinem „Fabelhaft“ sitzen: zu nett, zu wenige Kanten, zu gefällig. Dabei passt er doch zum Dessert ganz wunderbar: Das Eis aus sehr dunkler Bitterschokolade verträgt sich außergewöhnlich gut mit der vollen Frucht des Weins und vertuscht das Fehlen von Eleganz und Tiefe. Danquart zeigt mir Fotos seiner Küche, ein Schmuckstück mit Profiausstattung die von einem riesigen Tisch dominiert wird. Er kocht leidenschaftlich gerne, sagt er, und isst wohl ungern alleine, denke ich mir.

Der Abend endet im Hinterzimmer vor dem Heizungsraum bei selbst gedrehten Zigaretten und einer weiteren Flasche Riesling, die Stefan Hartmann auf einen umgedrehten Styroporkasten stellt. Ein Koch gesellt sich zu uns, Danquart sucht gleich das Gespräch, als er eine „typische Kopfbewegung“ zu erkennen glaubt. Eine Frage, ein Lächeln und wir erfahren, dass der Mann Tamile ist, der wegen der schwierigen politischen Lage seit fünf Jahren seine Familie nicht mehr besuchen konnte. Danquart ist in seinem Element, hört zu, lässt den anderen sprechen, interessiert sich, kennt auch die Region, die Probleme und das Landestypische Essen. Dazu trinke ich den letzten Schluck „Fabelhaft“.

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