Pepe Danquart, wurde 1955 geboren als einer von zwei Zwillingsbuben in Singen am Hohentwiel. Die Schule war Martyrium, aber erträglich, weil man als Zwilling nie alleine war, unerträglich für die Lehrerwelt, weil gemeinsam nicht zu bändigen. 1968 wurden wir getrennt, ich musste meinen eigenen Lebenskampf führen. In dieser Zeit (1968-74) erste Super-8 Filme am Strand von La Ciotat (Partnerstadt meiner Schule und erste Liebe) in Südfrankreich und dauerhafte Beschäftigung mit Fotografie und Malerei. 1970-74 politisiert durch die Spätwehen der ´68 Bewegung. Erste Demonstrationen und Schulsprecher Tätigkeiten. Herausgeber der stadtübergreifenden Schulzeitung. Mein Dasein: rebellisch. Mein Berufsziel: Student. Nichts weiter.
Was danach kommen sollte interessierte nicht. Dann 1974 Abitur und eine halbjährige Reise nach Asien und Indien. Konfrontation mit Armut und der Größe der Welt.
1975 Beginn des Studiums der Kommunikationswissenschaften in Freiburg (Diplom 1981). Hier begegnete ich Mirjam Quinte und Bertram Rotermund, die auch Super-8-Filme drehten und Kunstfotografie betrieben. Wir sollten einen langen Weg zusammen gehen.
1976-77 entstanden Puppentrickfilme zu politischen Themen. Erste Festivalteilnahmen auf diversen S-8-Filmfestivals in Deutschland. Eine rege Szene. Einen Western mit Kindern entstand in den Jahren davor und spielte mit den Klischees der Erwachsenphantasien vom Abenteuer. 1977 entdeckten wir das neue Medium Video. Im Umfeld der Jugendrevolte entstanden Videozentren in den Großstädten der Republik. Ende 1977 gründeten wir im politischen Buchladen "Jos Fritz" die Medienwerkstatt Freiburg (MWF). 1978 kamen Didi Danquart (der Zwillingsbruder), Michael Schlömer und Wolfgang Stickel dazu. Dies war die offizielle Gründung des Film- und Videokollektivs MWF (Medienwerkstatt Freiburg), das als Kommune über 15 Jahre zusammen leben und arbeiten sollte.
1979 Umzug in die eigenen Räume in der Konradstraße, wo sich die MWF noch heute befindet. Von 1978 bis Mitte der 90iger Jahre entstanden über 30 Dokumentar-, Kurz- und szenische Filme, zuerst im Umfeld der Jugendbewegung der 80iger Jahre (Hausbesetzungen, Umweltbewegung, Ökologie) später dann internationaler Filme, vornehmlich in Spanien und Südamerika.
1981 machte unsere erste Fernseharbeit "Paß´bloß auf..." fürs ZDF Furore, die nach der Sendung staatsanwaltschaftliche Ermittlungen (und Hausdurchsuchungen) wegen Aufruf zur Gewalt und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach sich zog. Es war eines der ersten Videobänder (in schwarz/weiß, auf offenen Spulen), das offiziell über den Sender ging. Wie "Züri brennt" (Videoladen in Zürich) wurde der Film "Paßt bloß auf..." Kult in der Szene.
In den 80ger Jahren waren wir als Autoren ein Tabu Thema in deutschen Fernsehanstalten, aber durch die innovative, experimentelle und radikale Formensprache unserer Filme und Videos auf fast jedem dokumentarischen oder Kunst Festival in Deutschland vertreten. Die dokumentarische Filmkritik widmete uns Hymnen.
1983 wurde uns der nationale Dokumentarfilmpreis der deutschen Filmkritik für "das Gesamtschaffen der MWF" verliehen. Jetzt kam auch das Fernsehen nicht mehr an uns vorbei. 1982 (bis 1989) gründeten und organisierten wir das Videoforum Freiburg, weil wir es ablehnten, die etablierten Festivals (wie die Int. Kurzfilmtage in Oberhausen) mit unseren Filmen zu bedienen. Organisation und Durchführung lag in unseren Händen. Nach kurzer Zeit war das Videoforum ebenfalls ein renommiertes Festival, wie die internationalen Film- und Videoreihen und Teilnehmer belegten. Das Establishment hatte uns wieder.
In den Jahren 1983-1987 Dozententätigkeit an der renommierten Filmschule dffb (deutsch Film- und Fernsehakademie Berlin) in der von einer Mauer eingeschlossenen "Frontstadt" Berlin. Subkulturelles Leben im Schnellgang. Punkmusik und Neue Deutsche Welle, Parties, Undergroundfilme. Unser Schwerpunkt war Video- und Dokumentarfilm. Wir entwickelten in der MWF die ersten Schnittcomputer und Bildmischer für Video (1/2' Zoll und schwarz/weiß) und schrieben technische Handbücher, die bald in allen Filmklassen zu finden waren. Wir installierten die ersten Schnittstudios an den Filmschulen (dffb). In dieser Zeit begann eine lange Freundschaft und Zusammenarbeit mit den damaligen Studenten und späteren Kameraleuten Michael Hammon und Ciro Cappellari.
Von 1984-88 arbeitete ich parallel dazu in der Auswahlkommission der Duisburger Filmwoche, bis heute das wichtigste Festival für den deutschsprachigen langen Dokumentarfilm. Die Zeit dort war geprägt von heftigen Auseinandersetzung zu Theorie, Geschichte und Machbarkeit (Praxis) von Dokumentarfilm. Die direkte und subjektive Herangehensweise unserer Filme/Videos brachte heftige Diskussionen hervor. Es war eine lehr- und lernintensive Zeit, prägend für mein weiteres Schaffen.
Die Produktivität der 80ger Jahre war enorm hoch. Neben den Kunst- und experimentellen Filmen mit dem Bildhauer Prof. Karl Bobek aus der Düsseldorfer Kunsthochschule ("Bilder einer Ausstellung"), dem sehr persönlichen Blick auf die Arbeit von Lothar Quinte ("LQ-40 Jahre Malerei"), dem intensiven Austausch mit dem experimentierbereiten Theater und seinen Schauspielern (Theaterfestival in Freiburg und Avignon) der Ignoranz gegenüber "vorgeschriebenen" Grenzen des Genré-Films ("Sprache des Körpers", "Malfunction-eine Bemerkung zur Volkszählung").
Daneben tobte der "Häuser- und Kulturkampf" der Jugendrevolte der frühen 80iger Jahre ("Nachrichten über eine Veränderung", "Paßt bloß auf...", "S`Wespenäscht" (das Wespennest), Wackersdorf- eine Reflexion über Gewalt", "Die neue Kunst des Strafens" u.a.). Die Freundschaft zu dem 90-jährigen Anarchisten Augustin Souchy, mein ideeller Wunschgroßvater, führte mich in das Spanien von 1936 ("Die lange Hoffnung"). Die Repression zum "Projekt Arthur " zur Gewaltfrage 1968". Die Weltlage nach Südamerika ("Exilio"), den nahen Osten ("Chatila") und der Kampf gegen das geplante AKW in Wyhl mit seiner Friedensbewegung in den Zynismus ("Frieden- ein Wort kann eine Karikatur sein").
Zur Spitze in der politischen- und formellen Bildsprache trieb uns die Mutierung der sogenannten APO in Partei- und Gesellschaftsfunktionäre. Mit Andreas Schreitmüller und Eckhart Stein (Kleines Fernsehspiel im ZDF) als Verbündete und Sloterdijks "Kritik der zynischen Vernunft" im Kopf entstand die Video-Collage "Geisterfahrer", ein Persiflage über den Zustand der Linken und ihrer Geschichte. Formal bahnbrechend und ihrer Zeit weit voraus.
1989 wuchs der Traum vom Kino. In Zusammenarbeit mit dem Videoladen Zürich (heute Dschoint Ventschr) entstand 1989/90 "Daedalus", ein szenischer Science-Fiction Film mit implantierten dokumentarischen Sequenzen zum Thema Gentechnologie. Der damit zusammenhängende produktionelle Aufwand sprengte den Rahmen unserer kollektiven Filmarbeit. Ich fühlte mich kreativ eingeschnürt im engen Korsett der Kollektivzwänge, verlies die Gruppe und ging 1991 nach Berlin. Im Gepäck ein Script zu einem Kurzfilm.
Nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten in der wiedervereinten Stadt drehte ich 1992 "Schwarzfahrer" im Osten Berlins. Seine Uraufführung auf der Berlinale 1993 erlebte ich nicht persönlich, da ich mich mit Mirjam Quinte zu langen und schwierigen Dreharbeiten über die Banditenkönigin Phoolan Devi in Indien befand ("Phoolan Devi " Rebellion einer Banditin"). Ohne offizielle Drehgenehmigungen schafften wir nach über 6 Monaten Dreharbeiten im tiefsten Herzen Indiens das filmische Porträt über die legendäre Banditin zu beenden.
"Schwarzfahrer" war inzwischen ein Festivalhit geworden (er spielte weltweit fast auf jedem wichtigen Festival) und während der Premiere unseres indischen Abenteuers auf der Berlinale 1993/4 erreichte mich die Nominierung von "Schwarzfahrer" zur Oscarverleihung als bester Kurzspielfilm. Wider meiner Erwartung schaffte ich es 1994 als erst dritter deutscher Filmregisseur in der Geschichte des deutschen Films diese höchste Auszeichnung der Filmbranche zu gewinnen. Im selben Jahr wurde ich Mitglied der Academy of Motion Picture and Science, L.A., die jedes Jahr diese Auszeichnung verleiht. Sprichwörtlich über Nacht wurde mein Name bekannt, nicht nur in der Branche.
Noch im selben Jahr entschied ich mich, in den Krieg zu fahren, um einen Film zu drehen. Von 1994-96 drehte ich (mit Mirjam Quinte) während des Bürgerkriegs in Bosnien in der hart umkämpften Stadt Mostar den Film "Nach Saison". So entkam ich einerseits den Erwartungen des Ruhmes zuhause und anderseits begegnete ich einem Phänomen, das ich nur vom Hörensagen kannte: dem Krieg. 1997 feierte der Film auf der Berlinale seinen ersten großen Erfolg, dem international viele folgen sollten.
Um die schwierige Zeit in Bosnien über den Zeitraum von zwei Jahren ertragen zu können, drehte ich zwischen 1994-1997 meine sogenannten "Augustfilme" (weil ich sie immer im Sommer drehte): dokumentarische Auftragsarbeiten fürs Fernsehen. Es entstand das dokumentarische Roadmovie in den Highlands von Schottland "Old Indians Never Die" für die BBC und SkyChannel über die Obsession zweier Motorradfreaks zu ihren Motorrädern (Indians).
Für arte entstand "Itineraries Alsace - Notizen eines deutschen Filmemachers", ein Essayfilm über eine Provinz, die nie wirklich deutsch oder französisch war, aber es doch immer sein mußte. Ausgangspunkt war das Dorf Bischholtz im Elsass am Rand der Vogesen, wo ich zeitweise lebte und in deren Kirche die Uraufführung stattfand. "Eine Zelebration, keine Vorführung", wie Hans Robert Eisenhauer (Chef der Themenabende bei arte) meinte, der mich und meine filmische Laufbahn seit geraumer Zeit als Freund, Unterstützer und Redakteur begleitet. Als letzten dieser Filme entstand 1996 der Film "Der Straßenfeger", Teil eines Gemeinschaftsfilms sieben renommierter Regisseure (u.a. Katie Thalbach, Leander Hausmann, Rainer Simon) zum siebten Jahr der Wiedervereinigung Deutschlands. Ein kurzer Film über einen Obdachlosen in den Straßen von Berlin.
1994 absolvierte ich mit einem selbst entwickelten Stoff ("Private Service") das europäische Media Programm EAVE (graduiert im selben Jahr), das mir erste wesentliche Einblicke in internationales Filmschaffen bot. Das Script "Private Service" (später "Deadland)" fand internationale Beachtung, blieb aber nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit im deutschen Förderdschungel im wahrsten Sinne des Wortes hängen. Es wartet noch immer auf seine Verfilmung. Wichtige Kontakte entstanden in dieser Zeit zu befreundeten Kollegen und Produzenten im Inland und Ausland.
Mit Peter Rommel gründete ich 1995 in Berlin die Blueberry Films GmbH, mit der unter anderem "Old Indians Never Die" und (in Co-Produktion mit Quinte Film) "Nach Saison" entstand. Wir trennten uns wenige Jahre später. In Frieden. Der Film "Nach Saison" wurde 1998 als bester Film (und einziger dokumentarischer Film) zum deutschen Filmpreis nominiert. Er mußte in jenem Jahr der Macht der Spielfilme weichen. Er wurde weltweit auf wichtigen Festivals ausgezeichnet, unter anderem mit dem Friedensfilmpreis der Berliner Filmfestspiele (Berlinale).
Seit 1994 werde ich von Elisabeth Dench (The Dench and Arnold Agency) in London international vertreten. Durch diese Agentur kamen dann die erste wichtige internationale Produktion 1996 auf mich zu: "Semana Santa" nach einer Romanvorlage von David Hewson. Eine lange Finanzierungs- und Entwicklungszeit lag vor uns.
1998 begann ich einen Dokumentarfilm fürs Kino zu drehen, der die schwierige Annäherung zwischen den beiden deutschen Staaten und ihrer Menschen zum Inhalt hatte. Anhand eines Eishockeyclubs: den Eisbären, ehemals Dynamo Berlin. Das Ergebnis von "Heimspiel" war überwältigend. Gefeiert auf der Berlinale 2000, fand er Verleiher (Senator) und Weltvertrieb, eroberte sich seinen Platz in den CinemaxX Kinos, brachte es zu den Vor-Nominierungen der Academy Awards (Oscars) in den USA. Im selben Jahr wurde er zum Besten Film beim deutschen Filmpreis 2000 nominiert, ich gewann als erster in der Geschichte dieses Preises mit einem Dokumentarfilm den so heiß begehrten deutschen Filmpreis für Beste Regie. Im selben Jahr den European Dokumentary Award (Special Mention) der Europäischen Filmakademie.
2001 drehte ich in Hamburg den Fernsehfilm "Mörderinnen" (ZDF und Arte), produziert von Multimedia, Hamburg. Herausragend die beiden Hauptdarstellerinnen Cornelia Schmaus und Katja Studt, die dafür zum deutschen Fernsehpreis 2001 nominiert wurden.
Überschneidend zu "Mörderinnen" begann die Produktion von "Semana Santa", nach 4 Jahren endlich finanziert. Wir drehten in Sevilla unter schwierigen Bedingungen. Nach vielen produktionellen und finanziellen Irrungen und persönlich schwieriger Zeit beendete ich Ende 2001 dieses Abenteuer. Nicht wirklich glücklich. Aber beendet. Der Film (starring Mira Sorvino, Olivier Martinez, Alida Valli, Feodor Atkin u.a.) wurde international in Frankreich, Spanien, Italien und den USA im Kino gestartet.
Als 'Refreshment' meiner Seele unterrichtete ich im Folgejahr 2002 den filmischen Nachwuchs an der Filmakademie in Ludwigsburg und verfilmte für die Dor Film in Wien gleichzeitig eine Fantasie von André Heller: "Im Herzen des Lichts", eine Nacht mit den letzten Primadonnen der musikalischen Welt: starring Jessy Norman, DeeDee Brigdewater , Christina Branco, Sheila Chandra u.a. Eine kreative und aufregende Zeit in den Wiener Filmstudios (Lichtdesign: Patrick Woodroff) und der griechischen Theaterruine in Taormina auf Sizilien.
Seit 1998 entwickelte ich ebenfalls mit Danny Krausz (Dor Film, Wien) eine dunkle Gangsterkomödie mit dem Titel "C(r)ook", der im Frühjahr 2003 nun realisiert wird. Ebenfalls realisiert wird "Höllentour", ein Dokumentarfilm fürs Kino über das härteste Straßenrennen der Welt: die Tour de France. Produziert von Mirjam Quinte (siehe neue Projekte).
Seit der Milleniumswende 2000 ist Pepe Danquart Mitglied der Europäischen Filmakademie, seit 1994 Mitglied der amerikanischen Academy of Motion Pictures and Science in Los Angeles, die jährlich die Oscars vergeben, derzeit 2002 Jurymitglied der Filmförderung des Bundes (BKM) und der Gerd Ruge Stiftung für Dokumentarfilm. Seit über 15 Jahre hält er filmdramaturgische Seminare für Goethe Institute in aller Welt, ZPF (Zentrale Fortbildung der ARD) und anderer unabhängiger Institute (z.B. Künstlerhaus Bethanien, Berlin) und Filmschulen.
Wie es weiter geht zeigt die Zeit …