Dokumentarfilm, 140 min, 35mm, D 2011
Er war 68er-Aktivist, Stadtguerillero, Taxifahrer, Sponti – er wurde hessischer Umweltminister in Turnschuhen und deutscher Außenminister im Anzug: Das bewegte Leben von Joseph "Joschka" Fischer dient Regisseur Pepe Danquart als roter Faden, um von sechs Jahrzehnten deutscher Nachkriegsgeschichte zu erzählen. Von den verlogenen 50er-Jahren, den wilden Tagen der APO und der „bleiernen Zeit“ des RAF-Terrors über die Anfänge der Anti-Atomkraftbewegung und die Gründungsjahre der Grünen bis hin zum Fall der Mauer und der ersten rotgrünen Bundesregierung – Danquarts Film wird zu einer Zeitmaschine, die durch sechs Jahrzehnte fliegt und Fischer zu einem Zeitreisenden, der manchmal kaum fassen kann, was in der Epoche, die ihn ebenso prägte wie er sie, alles geschehen ist.
"Geschichte kann man nur mit Haltung erzählen!"
Der letzte Rock’n Roller der Politik. 50 Jahre Deutschland. 50 Jahre Weltgeschichte. Eine Biographie.
JOSCHKA FISCHER wurde vor wenigen Jahren 60 Jahre alt und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) ebenfalls. Beide haben bewegen-die Zeiten hinter sich. Sie mussten sich der Schuld eines eben verlorenen Krieges stellen, das Unfassbare des Holocaust bewusst werden, haben in Trümmern angefangen, das Wirtschaftswunder miterlebt, sind in gehörige politische Turbulenzen geraten und am Ende doch im Staatengebilde der Welt wichtige Faktoren geworden. Der eine als Aussenminister, die Bundesrepublik als ein wichtiges und stabilisierendes Mitglied von Europa.
"Der letzte Rock’n Roller der Politik" will anhand der Biographie von Joschka Fischer, seinem bekennenden und leitmotivischen Erkenntnisinteresse "Nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord" folgend den Blick auf die letzten 60 Jahre der Bundesrepublik Deutschland und auch der Weltgeschichte werfen anhand von Gesprächen, Begegnungen, Archivmaterialen und einer assoziativen Montage, die sich frei entwickelt und sich der heute verfügbaren visuellen und optischen Möglichkeiten bedient. "I am not there", ein Film der sich an der Biographie von Bob Dylan orientierte, war ein Beispiel, wie frei man sich spielen kann, wenn man an Porträts und Zeitgeschichte denkt. Kein journalistisches Herangehen ist geplant, keine Heldenverehrung oder das klassische Format der Memoirenverfilmung – sondern ein ganz besonderer Zugriff auf unsere jüngste Geschichte. Assoziativ, überraschend und ehrlich. In Form und Inhalt.
Erinnern wir uns. Es war eine geradezu absurde Vorstellung, die mit höhnischem Gelächter quittiert wurde, als sein Wegbegleiter DANIEL COHN BENDIT im Fernsehen die visionäre Prognose wagte, dass er als Innenminister und JOSCHKA FISCHER als Außenminister zusammen mit der grünen Partei die spätkapitalistische Industriegesellschaft grundlegend verändern werden. Das war vor knapp 30 Jahren und ist, wie wir alle wissen, heute nicht mehr illusionär. Es ist wahr geworden.
Davor waren ein zerbombtes Land, die Trümmerfrauen und das Verdrängen, das Wirtschaftswunder, die Stones, Bob Dylan, die Punkmusik, der Vietnam-krieg, die DDR, die APO, die RAF und der Herbst 77. Da waren Schmidt und Wehner, Ulrike Meinhof und die PLO. Die ersten Anschläge internationaler Terroristen und der kalte Krieg. Danach kamen die Kämpfe gegen die Kernkraftwerke, die Umweltschützer und Parteigründer. In Gorleben, im badischen Wyhl oder Wackersdorf. Der Turnschuh-Minister und die Ökobank. Der Krieg auf dem Balkan, im Irak wie die Intifada im Nahen Osten. Der 11. September, der das unverwundbare Amerika in seinen Grundfesten erschütterte, wie der Völkermord im Kosovo. Ein Außenminister, der den Krieg im Irak mit den Amerikanern nicht mitmachte und Frieden zu stiften versuchte zwischen Israelis und Palästinenser. Der Fall der Mauer, ein vereintes Deutschland. Die Weltklimakatastrophe. Ich könnte fortfahren…
Und mittendrin ein ehemaliger Straßenkämpfer, ein Metzgersohn ungarndeutscher Flüchtlinge, aufgewachsen im spießigen Schwabenland, der am Ende als beliebtester Politiker Deutschlands seine Politikerkarriere als Außenminister der Bundesrepublik Deutschland beendete.
60 Jahre Bundesrepublik Deutschland. 60 Jahre Weltgeschichte. Eine Biographie. Das ist der Film. Ein Film mehr MIT als ÜBER den letzten Rock’n Roller der Politik. Ein ganz subjektiver und radikal ehrlicher Blick in unsere jüngste Vergangenheit, der sich einer ebenso radikalen wie ehrlichen Bildsprache be-dient. In seiner Form auf der Höhe der Zeit. Ein Film fürs Kino.
JOSCHKA UND HERR FISCHER ist weit mehr als eine simple Biographie. Kurzweilig und aufschlussreich mit teils noch nie gezeigten, beeindruckenden Dokumentarbildern liefert der Oscar®-prämierte Regisseur Pepe Danquart (SCHWARZFAHRER, HÖLLENTOUR, AM LIMIT) einen Querschnitt durch 60 Jahre deutsche Geschichte. Er schildert die Entwicklung eines Landes, das viele Jahre brauchte, um Demokratie zu lernen und sich von den Schatten der Vergangenheit zu lösen. Mit besonders markanten Szenen seiner und der deutschen Geschichte konfrontiert, kommentiert Joschka Fischer nachdenklich, auch selbstironisch und eröffnet dadurch zugleich einen neuen Blick auf seine Person. "Joschka" hat, kein Zweifel, Geschichte gemacht. Doch es ist die ganz besondere Geschichte der Deutschen, die eine Karriere wie seine überhaupt erst ermöglicht hat. Die zahlreichen Zeitzeugen, die Danquart in "Side Stories" zu Wort kommen lässt – von Katharina Thalbach über Daniel Cohn-Bendit bis zur Band Fehlfarben – runden Pepe Danquarts Dokumentarfilm ab zu einem gleichermaßen kontroversen wie unterhaltsamen Kaleidoskop aus Tagen, in denen keine Atempause gemacht wurde…