Der österreichische Autorenfilm nach der Jahrtausendwende. Seit einem Jahrzehnt hat sich ein neuer AutorInnenfilm entwickelt, der nicht vor menschlichen Abgründen zurückschreckt. In ihren Filmen dringen die AutorInnen in die Privatsphäre der Menschen ein und zeigen auch deren hässliche Seiten. KritikerInnen werfen ihnen vor, sie stellen die Menschen bloss und missbrauchen sie für ihre Zwecke. Andere lobten ihren furchtlosen Blick in die alltägliche Hölle. Die Rede ist von Österreichern, Ulrich Seidl, Michael Glawogger, Michael Hanecke, Barbara Albert u. v. a. m.
Ihre Filme werden weltweit gezeigt, gewinnen internationale Preise – und doch kennt das breite, manchmal auch das sachkundige Publikum ihre (dokumentarischen) Filme nicht. Auch muß die Frage erlaubt sein, warum diese innovativen Grenzformen der Genres, die Offenheit gegenüber dem häßlichen Wehtun, warum dieser Mut beim Hinschauen nicht in schweizer oder deutschen Filmen zu finden ist.
Wir werden mit vielen filmischen Beispielen, wie Werner Herzog meinte, in diese alltägliche Hölle schauen und am Ende des Seminars einige herausragende Macher dieser Filme (angefragt sind Seidl, Glawogger, Wolfgang Thaler DOP, Albert) zu einer intensiven Kompaktveranstaltung bei uns haben.
Gast Werner Ružičska ›Talking Heads‹ – immer noch und nicht ohne Grund ein Kampfbegriff im dokumentarischen Diskurs. Übersehen wird dabei gerne, dass essentielle Kategorien des Dokumentarischen – wie z. B. Bericht, Zeugenschaft und Bekenntnis – im Medium der Sprache repräsentiert sind. In diesem Seminar soll untersucht werden, wie sich die Stimmen und Körper, die Gesten und Gebärden zu den filmischen Räumen, in denen sie arrangiert sind, verhalten – und von ihnen bestimmt sind. Biografie Werner Ružičska: 1947 geboren. Studium der Germanistik, Philosophie und Sozialwissenschaften in Bochum, ehe er 1974 Leiter der kommunalen Filmarbeit in Bochum wurde. Neben verschiedenen Arbeiten für Fernsehen und Theater wirkte Ružicˇska zwischen 1978 und 1982 am dokumentarischen Langzeitprojekt »Prosper/Ebel – Eine Zeche und ihre Siedlung« als Regisseur und Produktionsleiter mit. Seit 1985 leitet er die Duisburger Filmwoche, das Festival für den deutschsprachigen Dokumentarfilm.
Die Dokumentarfilmwoche Hamburg zeigt seit 2003 internationale Dokumentarfilme ohne den Blick auch auf die kleinen regionalen Produktionen zu verlieren. Darüber hinaus werden jedes Jahr bewusst auch Filme ausgewählt, die ohne Fördermittel und Fernsehsender entstehen.
Gast Michael Girke; gemeinsam mit Robert Bramkamp
»Mit der Farbe im Film«, schrieb Frieda Grafe, eine der profiliertesten Filmkritikerinnen Deutschlands, »gab es immer Scherereien. Sie war mit dem bloßen Wiedergaberealismus des Kinos schwer in Einklang zu bringen. Sie machte den Bildern eine Aura. Sie war ein Wahrnehmungsluxus.« Mit ein Grund, warum Farbe im Gegensatz zu vielen anderen Aspekten des Films auch in der Theorie ein randständiges Dasein fristet, ist, dass es ihr gegenüber Vorurteile gibt: immer wieder in der Geschichte unserer Kulturen wurde Farbe mit fremden, femininen, schwulen, primitiven, vulgären, pathologischen Kontexten assoziiert, als oberflächlich, kosmetisch, unecht entwertet. Das Seminar soll einerseits in das Thema einführen, andererseits anhand konkreter Filmbeispiele die Wahrnehmung für unterschiedlichste künstlerische Arten schärfen, Farben in Filmen einzusetzen, mit ihnen zu erzählen und zu verweisen, Verbindungen mit der Filmgeschichte herzustellen. Positionen aus der Kunst- und Filmgeschichte werden in einer Einführung vorgestellt, Filme aus der Vergangenheit und Gegenwart in Gesprächen mit den Studierenden erschlossen, die Wichtigkeit der Dimension Farbe so sichtbar gemacht.
Biografie Michael Girke: Autor, Filmkritiker, Kurator; schreibt für DEUTSCHLANFUNK, FILM-DIENST, DER FREITAG, KONKRET, KOLIK-FILM, SHOMINGEKI; kuratierte u. a. »Heimat – zwischen Gestern und Morgen« im FILMMUSEUM DÜSSELDORF; Buchbeiträge, zuletzt in: Volko Kamensky und Julian Rohrhuber (Hrsg.) »Ton. Texte zur Akustik im Dokumentarfilm«.