Tagebuch

Gedanken zu einer China Reise

Heißt es jetzt „Schi:na“ oder „Ki:na“. Wir Süddeutschen neigen dazu, es mit dem kalten K auszusprechen. Dieses Land, das uns so unbekannt ist und doch vertraut durch die Nachrichten. Ich hatte erneut die Gelegenheit wieder einmal hinzufahren, in dieses Land, in dem kaum jemand englisch spricht, geschweige versteht. Ich war eingeladen in die Jury des Guangzhou International Documentary Filmfestival, China und habe diese Einladung gerne angenommen. Und ich wurde überrascht durch perfekte Organisation und Größe dieses Festivals. Über 4000 Filme waren eingereicht, 42 haben es in die finale Runde geschafft, 4 Chinesen und 3 Europäer in der Jury für 9 Awards inmitten einer 14 Millionen Stadt unter beständigem Smog.

Ich war angetan durch die strenge Perfektion die von den Mitarbeitern (auch von jenen, die für mich zuständige freiwilligen Übersetzerinnen und „Hosts“, da ich mich kaum allein in diesem Moloch von Stadt bewegen konnte) abverlangt wurde. Eine Mischung aus kommunistischer Kollektivstrenge und individuellen Anflügen kapitalistischer Individualität, die allerdings auch dem Muster des globalen Konsumismus unterlagen. Aber oder gerade ihretwegen habe ich Stadtviertel gesehen, die ich in Shanghai oder Bejing nicht mehr entdecken konnte, habe Reichtum konfrontiert mit verarmten Straßenzügen gesehen und ein dokumentarisches Schaffen, das sich dem Weltniveau annähert (auch wenn sie noch nicht ganz die Augenhöhe erreicht haben, gebremst durch staatliche Zensurvorgaben oder zu wenig zeitlicher Erfahrungshintergründe (2018 war das 40 jährige Jubiläumsjahr für die westliche Öffnung der Partei und damit des gesellschaftlichen Ganzen). Jedoch Welten weiter vorn als noch vor 20 Jahren, als ich noch an einem Universitätskolloquium teilnahm, zum Dokumentarischen, das damals noch ausnahmslos staatliche Propaganda war.

Mein Ausflug nach Hongkong (45 Minuten mit dem futuristischen Schnellzug aus Guangzhou) war eine Reise in eine andere Welt. Im umgekehrten Sinne wie damals zwischen West- und Ostdeutschland: auf beiden Seiten Chinesen und doch zwei Welten, wie sie nicht unterschiedlicher sein konnten). Die einen noch geprägt von Mao Tse Dungs Kulturrevolution, die anderen von den Briten und ihrem Snobismus. Eine Reise in die Geschichte des britischen Empires, Wolkenkratzer Skylines und geschäftige Warenwelten (es kommen 24 Million Gäste jedes Jahr aus allen Ländern der Welt in diesen (noch) Stadtstaat, der in 50 Jahren dann wieder ganz zu China gehört. Zwischen den beiden Städten liegt Shenshen – das chinesische Silicon Valley oder die asiatische Variante einer „Start Up“ Metropole. Mit meinem Freund und Filmkollegen Uli Gaulke (zur Zeit „Artist in Residenz“ in Hongkong) verbrachte ich tolle Tage in Hongkong, Nächte auf „Rooftops“ im 45 Stock und flog müde, voller Eindrücke zurück in die weltoffene Berliner Provinz.

Dezember 2018

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