Werner Herzog und seine (fiktionalen) Dokumentarfilme
Herzog bekundet nicht nur kein Interesse an wörtlicher Wahrheit, er verachtet sie. Cinéma vérité, die Kunst, eine enteilende Wahrheit mit der Handkamera einzufangen, fertigt er als „Buchhalterwahrheit“ ab. Das Gegenteil von „Buchhalterwahrheit“ ist für Herzog „ekstatische Wahrheit“, denn einzig durch Erfindung und Erdichtung und Inszenierung ist eine intensivere Ebene von Wahrheit zu erreichen, die anders nicht zu finden wäre“. Das gelingt ihm als kinematografischem Betörer derart, dass seine Dokumentarfilme sogar als Fiktionen funktionieren. Aber er benutzt die Erfindung nicht, um Wahrheit zu verfälschen, sondern um sie zu schärfen, zu erhöhen, lebendiger zu machen. Zu seinen bevorzugten Methoden gehört es, für seine Charaktere Träume oder Visionen zu erfinden, die sie nie hatten, die aber trotzdem wahr klingen, weil sie den Charakteren entsprechen. Damit sind wir auch bei seinen Spielfilmen, die wir in der Weiterführung des Seminars vom Sommersemester mit einbeziehen werden, um herauszufinden, wer sie denn wirklich sind, die Helden in Herzogs Filmen. Das Seminar baut auf die Erkenntnisse des vergangenen Semesters auf.
Michael Hammon, geboren am 3. März 1955 in Johannesburg (Südafrika), studierte an der Kunstakademie von Kapstadt Malerei und Fotografie und von 1985 bis 1991 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). Für die Regie bei „Wheels and Deals“ (1991) wurde er mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, mehrfach preisgekrönt wurde auch der Dokumentarfilm „Hillbrow Kids“ (1999) über südafrikanische Straßenkinder, den er gemeinsam mit Jacqueline Görgen realisierte. Als Kameramann fiel Hammon durch seine dokumentarischen Arbeiten für Pepe Danquart auf, zum Beispiel „Nach Saison“ (Deutscher Kamerapreis 1998) über Mostar nach dem jugoslawischen Krieg und die Sportdokumentationen „Heimspiel“ (2000) und „Höllentour“ (2004), in dem er die Tour de France in spektakulären Bildern festhielt. Er fotografierte für Eoin Moore, Detlev Buck sowie mehrere Filme von Andreas Dresen, etwa „Die Polizistin“ (Deutscher Kamerapreis und Grimme-Preis 2001), „Willenbrock“ (2005), für den er eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis 2006 erhielt, und zuletzt „Halt auf freier Strecke“, der dieses Jahr in Cannes Furore machte (filmportal.de). Seit einigen Jahren leitet er auch die Kameraabteilung der HFF in Potsdam. Mit ihm wollen wir zwei Tage lang über seine dokumentarische Kamera in Spielfilmen und seine inszenierte Kameraarbeit bei dokumentarischen Projekten anhand von Beispielen und im offenen Gespräch diskutieren.
Die Duisburger Filmwoche ist das Festival des deutschsprachigen Dokumentarfilms und bietet darüber hinaus einen Einblick in die „theoretische Welt der Wirklichkeitsabbildung“. Mehr ein Kolloquium als ein Festival. Jeder vorgestellte Film wird anschließend in vorbereiteter Moderation mit dem Publikum diskutiert. Außerdem ein Ort, wo die Dokumentarfilmer auf Produzenten und Redakteure dieses Genres treffen und sich allabendlich mit KollegInnen austauschen können. Weiterhin wird für die teilnehmenden Studierenden eine Masterclass renommierter Filmemacher angeboten.